Haushaltsrede Doppelhaushalt 2021/2022 - Ludwigshafen

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, Herr Kämmerer Schwarz,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Gäste der Stadtratssitzung,
1) Der vorgelegte Doppelhaushalt 2021/2022 ist hoch toxisch. Er verstößt gegen das Gebot der sozialen Gerechtigkeit und er verstößt gegen Recht und Gesetz. Die Verfügung der ADD vom 30.07.2020 bringt es insofern auf den Punkt. Wörtlich heißt es in vorbenannter Verfügung:
a)    Der Haushalt der Stadt Ludwigshafen am Rhein ist durch ein erhebliches strukturelles Defizit im Bereich der sozialen Sicherung in Höhe von rund € 116.158.270,00 gekennzeichnet.
b)    Sowohl der Ergebnis- als auch der Finanzhaushalt der Stadt Ludwigshafen am Rhein verstoßen in allen Planungsjahren (2019-2022) gegen das Haushaltausgleichsgebot, das als das tragende Prinzip der kommunalen Haushaltswirtschaft angesehen werden kann.
c)    Bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2020 beläuft sich der Ressourcenverbrauch (Abbau des Eigenkapitals) der Stadt Ludwigshafen am Rhein unter Verstoß gegen das Prinzip der intergenerativen Gerechtigkeit auf rd. 838,7 € Mio.
d)    Nach ihrer Eigenkapitalentwicklung droht der Stadt Ludwigshafen am Rhein die Überschuldung gem. § 93 Abs. 6 GemO, wenngleich diese derzeit nicht gegeben ist.
Letztlich stellt die ADD fest, dass die Haushalts- und Finanzplanung der Stadt Ludwigshafen am Rhein damit weiterhin nicht im Einklang mit den Grundsätzen einer geordnete Haushaltswirtschaft steht.
2)Obgleich die Steuereinnahmen noch in jüngster Zeit sprudelten, sind die vorgelegten Zahlen ernüchternd:
Betrug die Liquiditätsverschuldung im Jahre 1995 noch ca. € 90 Mio., wird sie 2022 € 995 Mio. betragen.
Betrug das Eigenkapital im Jahre 2009 noch € 1.082,8 Mio., wird es 2022 nur noch € 137 Mio. betragen. Der Eigenkapitalverzehr beträgt in vorgenanntem Zeitraum sage und schreibe 90 %!
Der Schuldenstand wird unter Berücksichtigung der Investitions- und Liquiditätskredite im Jahre 2022 ca. € 1,6 Milliarden betragen.
Die Pro – Kopf-Verschuldung eines jeden Bürgers steigt stetig in dramatischer Weise!
3)Was wollen also die vorliegenden Zahlen dem Rat unserer Stadt, den Bürgerinnen und Bürger sagen:
Recht und Gesetz sind nichts mehr wert. Obgleich die ADD messerscharf erkennt, dass dieser Haushalt rechtswidrig ist, wird er dennoch genehmigt.
Obgleich das Land Rheinland-Pfalz verfassungsrechtlich an das Konnexitätsgebot gebunden ist, wird täglich gegen unsere rheinland-pfälzische Verfassung verstoßen.
Obgleich im Grundgesetz die Selbstverwaltungsfreiheit garantiert wird, werden von der ADD die freiwilligen Leistungen (ohne ÖPNV) auf 7 %, mithin auf ca. € 46 Millionen gedeckelt.
Obgleich der Schuldenberg rasant steigt, wissen weder der Kämmerer noch der Rat unserer Stadt, wie dieser Schuldenberg je abgetragen könnte. Wenn wir es nicht wissen, wie könnten wir erwarten, dass es die kommende Generation weiß? Ist es sozial gerecht, immer höhere Schulden zu machen, um der kommenden Generationen jegliche Handlungsspielräume zu nehmen?
4)Die Liberalen meinen: Nein – ganz und gar nicht! Um so verwunderlicher ist es, dass sich die Politik auf Landes- und Bundesebene zu diesen dramatischen Verhältnissen völlig ausschweigt.
Aktuell wird diese Thematik höchstrichterlich beim rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshof geprüft. Das Gericht hat bereits angedeutet, dass ein Verfassungsverstoß bestehen könnte.
5.)Deshalb fordert die FDP in Ludwigshafen am Rhein, die Selbstverwaltungsfreiheit zu verteidigen. Nach wie vor erachten wir es als den falschen Weg, sich auf die Zusage der Landesregierung zu verlassen, sich an den Ausgang der zuvor geschilderten Verfassungsrechtstreitigen halten zu wollen – denn der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof hatte bereits anlässlich einer Verfassungsklage des Landkreises Neuwied festgestellt, dass die damalige Landesregierung gegen das Konnexitätsgebot verstößt. Trotz des Urteils sah und sieht sich aber das Land Rheinland-Pfalz nicht in der Pflicht, die drohende Überschuldung abzuwenden. Aus Sicht der FDP-Ludwigshafen am Rhein ist es daher zwingend geboten, Klage gegen das Land zu erheben, um die nahende haushälterische Katastrophe zu verhindern und die über Jahrzehnte angehäuften strukturellen Defizite auszugleichen. Das Land muss endlich verpflichtet werden, die über Jahrzehnte angehäuften strukturellen Defizite auszugleichen und unsere Stadt mit ausreichend finanziellen Mitteln auszustatten. Weiter fordern wir, endlich anzuerkennen, dass der öffentliche Personen- und Nahverkehr ebenso wie die Bereiche Kultur und Sport nicht nur als freiwillige Aufgabe, sondern als Pflichtaufgabe angesehen werden, weshalb wir auch hier meinen, das Land stärker in die Pflicht nehmen zu müssen – und was für das Land Rheinland-Pfalz gilt, gilt selbstverständlich auch auf Bundesebene.
6)Besorgt habe ich als Fraktionsvorsitzender anlässlich der Haushaltsrede zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Einnahmeseite durch Erhöhung von Realsteuern, insbesondere der Grundsteuer gestärkt werden soll. Aus Sicht der Liberalen wird eine solche Steuererhöhung nicht dazu beitragen können, unseren Haushalt nachhaltig zu entlasten, insbesondere die Jahresfehlbeträge im Ergebnishaushalt von ca. € 88 Mio. für das Jahr 2021 und ca. € 120,5 Mio. für das Jahre 2022 auszugleichen. Selbst der Kommunale Entschuldungsfonds konnte den stetigen Abwärtstrend nicht verhindern. Kommt hinzu: Die Steuer- und Sozialabgabenlast unserer Bürger ist beträchtlich. Im Ranking der EU belegen wir nach Belgien jedenfalls Platz 2. Die durchschnittliche Last, die jeder Single in Bezug auf Steuern und Sozialabgaben tragen muss, beträgt 49,4 % und Familien mit zwei Kindern sind mit durchschnittlich 34,3 % belastet.
Wir Liberalen halten es daher nicht für sozial gerecht, weitere Belastungen in Form von einer Grundsteuererhöhung einzuführen, um dann aber das Postulat erheben zu wollen, unseren Bürgern es ermöglichen zu wollen, Wohneigentum zu erwerben. Wer deshalb die Erhöhung der Grundsteuern fordert, konterkariert dieses Postulat – ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Weiter mit Sorge mussten die Liberalen anlässlich der Haushaltsrede des Kämmerers zur Kenntnis nehmen, dass die Personalkosten von € 142 Mio. im Jahre 2013 auf € 224 Mio. im Jahre 2022 anwachsen werden.
Im Hinblick auf die dramatisch ansteigenden Personal- und Versorgungsaufwendungen nehmen die Freien Demokraten mit Befremden und Unverständnis zur Kenntnis, dass die von Frau Oberbürgermeisterin Dr. Lohse eingeführte „Neue Ressourcensteuerung“ bis heute „gestoppt“ ist. Hierbei möchte ich betonen, dass die Freien Demokraten die vorgenommenen Personalerhöhungen für Kindertagesstätten und für den kommunalen Vollzugsdienst begrüßen und gerade nicht kritisieren. Wir kritisieren aber, das Personal mit der schlichten Behauptung der angeblichen „Erforderlichkeit“ stetig zu erhöhen, ohne dass hierfür eine sachliche Erforderlichkeit nachgewiesen ist. Indes: Die Neue Ressourcensteuerung sollte dazu dienen, sich auf den bevorstehenden Demografie Wandel einzurichten, Arbeitsprozesse zu optimieren und zu bündeln sowie Handlungsfelder zur Entlastung der städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu eröffnen. Hierbei sollten die Handlungsfelder Demografie, Personalplanung, Digitalisierung und Organisation auf den Prüfstand gestellt werden. Die Wirtschaftsprüfer von PWC untersuchten zunächst diese Handlungsfelder im „Botton Cup-Verfahren“. Hiernach sollte im sog. „Top down-Verfahren“ die zuvor gewonnen Ergebnisse evaluiert werden, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlasten und die Personalorganisation zu straffen. Mit einer seriösen Antwort, ob die Mitarbeiterzahl ausreicht, zu hoch oder zu niedrig ist, kann nicht mehr gerechnet werden, da die sog. „Neue Ressourcensteuerung“ beim sog. „Botton Cup-Verfahren“ wohl beendet wurde. Damit kann aber niemand sachlich begründen, weshalb zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neu eingestellt werden mussten, ob denn nun eine weitere Personalerhöhung angezeigt ist oder nicht. Weshalb sich die Stadt Ludwigshafen am Rhein mehr Bedienstete erlaubt als unsere Landeshauptstadt Mainz, wird daher für unsere Bürgerinnen und Bürger weiterhin ein Rätsel bleiben, obwohl es der Stadtspitze gut anstünde, endlich belastbare Antworten – gerade im Hinblick auf das angesprochene haushälterische Ausgabenproblem - zu geben. Als Fazit kann daher festgehalten: Mit der Neuen Ressourcensteuerung wurde mehr inszeniert als in konkretes Verwaltungshandeln integriert wurde– eine PR mit gestiegenen Ausgaben!
7)Auch wenn wir in der sozialistischen Mangelwirtschaft angekommen sind, möchte ich klarstellen: Die Liberalen machen dem Kämmerer nicht den Vorwurf, er oder seine Vorgänger hätten pflichtwidrig diesen Mangel verursacht. Insofern erkennen wir Liberalen an, dass mit diesem Haushalt das noch Mögliche erreicht werden soll, unsere Infrastruktur zu erhalten, um den Wirtschaftsstandort Ludwigshafen am Rhein nicht zu gefährden. Dennoch sind wir auf die Hilfe von Land und Bund angewiesen, die Großbauprojekte Hochstraße Süd und Hochstraße Nord zu realisieren, damit der Verkehrsinfarkt vermieden wird.
Wir Liberalen erkennen weiterhin an, dass weiter an der Sozialschularbeit festgehalten wird und Frau Prof. Reifenberg den Ausbau der Kitas unaufgeregt forciert, obgleich es sehr schwer für sie ist, ausreichend Personal zu rekurrieren. Trotz haushälterischen Mangels wird berücksichtigt, dass Kultur und Sport für unser Gemeinwesen lebenswichtig sind.
Letztlich bedanken wir uns bei unseren Bürgerinnen und Bürger sowie den Gewerbetreibenden, dass sie noch an unsere - haushälterisch gesehen - ausgeblutete Stadt glauben, werden doch allein die Gewerbetreibenden im Jahre 2012 € 135 Mio. und im Jahr 2022 € 146 Mio. an Gewerbesteuern zahlen. Bleibt letztlich für unseren Haushalt zu hoffen, dass die Zinsen nicht ansteigen werden, auch wenn damit die Privatvermögen, insbesondere die privaten Renten- und Lebensversicherungsvermögen unserer Bürgerinnen und Bürger „kalt enteignet“ werden.
Nach alledem lehnen wir den vorliegenden Doppelhaushalt ab, da er gegen Recht und Gesetz verstößt.
Danke!
Dr. Thomas Schell
Vorsitzender der FDP-Stadtratsfraktion

ES GILT DAS GESPROCHENE WORT